Logo

Rückschau

vom Forum e.V.

Die Allee zwischen Pfortenhaus und Basilika: gestern – heute – morgen


Es war sicher eines der wichtigsten Projekte im Jahr 2020 für die Abtei Marienstatt. Jetzt ist die Erneuerung der Allee abgeschlossen und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

 Die frühere Eschenallee war eine der markantesten Alleen im Westerwald und weit darüber hinaus. Fragt man Menschen, die Marienstatt erlebt haben, was ihnen in Erinnerung geblieben ist, so gehört die Allee zwischen Pfortenhaus und Basilika sicherlich dazu. Konnte sich eigentlich jemand vorstellen, dass die Eschenallee nicht mehr bestehen würde? Dann fehlt ja etwas, was man mit dem Ort verbindet, was scheinbar schon immer dazu gehört hat.
 Scheinbar! Denn wie alles, hat auch die Allee, haben ihre Alleebäume auch ihre Geschichte. Wir können diese Geschichte in Ansätzen nachvollziehen anhand der im Klosterarchiv vorhandenen Unterlagen, insbesondere von historischen Stichen bzw. Bildern, die dessen Leiter Jörg Ditscheid zur Verfügung gestellt hat.
Wir wissen nicht, wann die erste Allee entstanden ist, die den Weg zur Abteikirche wies. Unterlagen aus dem Mittelalter sind nicht vorhanden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass schon früh eine Allee in der Sichtachse zwischen alter Nisterbrücke und Kirche bestand. Denn eine Allee ist nicht nur Naturdenkmal, sondern vor allem ein Kulturdenkmal und hat seit je her die Funktion, quasi, wie bei einem ‚Tunnelblick‘ auf etwas Wichtiges, ein Ziel hinzuführen, so wie hier in Marienstatt zu dem ehrwürdigen Gotteshaus, das die Menschen ruft, Gott zu loben, mit ihm in Zwiesprache zu treten.
 Das erste Dokument stammt aus der Spätphase von Abt Benedikt Bach (1688 – 1720), der den Barock ins Tal der Nister brachte. Es zeigt eine Doppelreihe mit Bäumen in Kugelform zwischen Pforte (das Pfortenhaus existierte damals noch nicht) und Kirche. Es ist der Kupferstich aus dem Jahr 1718 mit Allee, dem mittelalterlichen Kloster und der barocken Gartenanlage.

 Mitte des 19. Jahrhunderts, genau 1856, – die Abtei ist säkularisiert – zeigt sich ein völlig anderes Bild. Die Fläche zwischen Kirche und Pfortenhaus, Barockgartenmauer und ‚Pfarrflügel‘ ist leer. Es fehlen sowohl Bäume als auch die Mauern zum Abteihof und vor dem ‚Pfarrflügel‘ bzw. in dessen Verlängerung bis zum Pfortenhaus.

 Auf der Fotografie aus dem Jahr 1881 findet sich eine Allee aus Nadelbäumen, die lediglich zur Mitte hin geschnitten sind, während sie nach außen frei wachsen. Auch ist bereits die hohe Mauer zum Abteihof vorhanden, die an die nordwestliche Ecke des Klostergebäudes (Pfarrflügel) ansetzt.

 Das zwischen der Wiederbesiedlung 1888 und 1896 entstandene Foto zeigt, dass die Nadelgehölze durch neue Laubbäume mit kugelförmiger Krone, die noch mit Pfählen fixiert sind, ersetzt wurden.

 Wenige Jahre später, die beiden Fotos stammen aus der Zeit vor dem Bau der Bibliothek, also vor 1908, sind die gleichen Bäume etwas größer und ohne stützende Pfähle.

Vermutlich waren es bereits Eschen, die im späten 19. Jahrhundert gepflanzt wurden. Ob es sich bei ihnen um die Bäume handelt, die nun gefällt werden mussten, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da immer wieder abgängige Bäume ersetzt werden mussten. Darauf weisen unterschiedliche Formen und Stammstärken hin.

 Fragt man beispielsweise Abt em. Dr. Thomas Denter O.Cist, der zu denen gehört, die Marienstatt schon mindestens 75 Jahre kennen, so erinnert er sich, dass er die Allee stets mit ausgewachsenen Eschen erlebt hat, die regelmäßig geschnitten wurden. Über viele Jahrzehnte haben die Bäume die Menschen aus nah und fern mit ihrem knorrigen Wuchsformen in gleich welcher Jahreszeit berührt, sei es, dass sie im Winter mit Schnee überzuckert waren, im Frühjahr mit dem Austrieb neues Leben ankündigten, im Sommer Schatten spendeten oder im Herbst Kinder erfreuten, die durch das raschelnde Laub stoben.

 Doch machten sie dem Konvent seit vielen Jahren zunehmend Sorge. Prior P. Martin Pfeiffer O.Cist hat im Frühjahr 2019 dazu aufrüttelnde Texte unter der Überschrift „Die Klage der Eschen“ gleichsam als Manifest an die Bäume geheftet, in denen er den Baum beschreibt, die Bedeutung der Baumart und deren Nutzung darstellt, auf den aktuellen Zustand der Eschen eingeht und schließlich die Bedeutung von Bäumen als Teil des göttlichen Schöpfungswerkes darstellt.

 Zeitgleich wurde die Öffentlichkeit auch über Informationsveranstaltungen des Fördervereins der Abtei, des Forums Abtei Marienstatt e.V., für die im Wesentlichen mit dem früheren Vorsitzenden Friedrich Esser ein Forstexperte verantwortlich war, und eine intensive Pressearbeit von der Notwendigkeit unmittelbaren Handelns überzeugt. Dabei wurden der Zustand der maroden Eschen als auch die Erneuerung der Allee sogar im Fernsehen thematisiert.

Ein erster Baum war bereits im Herbst 2018 – glücklicherweise bei Nacht – ohne äußere Einwirkung umgestürzt. Eine ganze Reihe von Eschen war bereits abgestorben, der Rest mehr oder weniger krank, wie eine genaue Begutachtung ergab.
Selbst die Bäume, die scheinbar noch gesund aussahen, hatten weit überwiegend hohle Stämme. Der Kern bis in den Wurzelbereich war durch Pilzbefall weich und krümelig, lediglich ein etwa 3 – 4 cm dicker Ring mit Borke, Bast, Kambium und Splintholz war noch vorhanden.
Andere Bäume hatten bereits keine lebenden Wurzeln mehr und lagerten nur noch auf den ausgeprägten Wurzeltellern, drohten umzufallen bzw. Teile durch gefährliche Abbrüche zu verlieren.
 Die Ursachen waren vielfältig und in ihrer Kombination tödlich:
• Da ist zum einen das seit einigen Jahren in Mitteleuropa grassierende Eschentriebsterben, eine aus Asien importierte Pilzinfektion, die eine Schlauchpilz namens “Falsches weißes Stengelbecherchen“ verursacht. Dieser Pilz befällt zunächst die Blätter und Triebe der Bäume und greift später dann auf den ganzen Baum über. Junge Triebe und Zweige in der Baumkrone werden welk und sterben ab. Der Baum reagiert mit der Bildung von „Wasserreisern“. Fortschreitend leidet er an Infektionen an der Stammbasis mit sog. Stammfussnekrosen, die sich in borkenlosen Stellen zeigen. Auch wird der geschwächte Baum leicht vom Hallimasch-Pilz befallen. Möglichkeiten, das “Falsche weiße Stengelbecherchen“ erfolgreich zu bekämpfen, gibt es zur Zeit leider nicht.
• Die Bäume waren in ihrer großen Mehrheit bereits alt, wobei durch das regelmäßige Zurückschneiden in der Vergangenheit der Baum tendenziell eher geschwächt als gefördert wurde.
• Schließlich haben die durch den weitweiten Klimawandel hervorgerufenen heißen Sommer, insbesondere 2018, und die häufig damit einhergehende Trockenheit vielen Bäumen den Todesstoß versetzt haben.
Ganz Besonders aus Gründen der Verkehrssicherheit und den damit einher gehenden Pflichten der Abtei war möglichst rasches Handeln geboten.

 Aus diesem Grund wurden alle Bäume mit Zustimmung der rheinland-pfälzischen Denkmalschutzbehörde Anfang Oktober 2019 entfernt. Dabei zeigte sich das ganze Ausmaß der Schäden: Kein Baum war gesund. Selbst bei den Exemplaren, die noch umfangreich ausgetrieben hatten, war das Stammholz stark verfärbt und weit überwiegend faul. Dies hatte auch zur Folge, dass das Holz allenfalls als Brennholz benutzt werden konnte. Lediglich einige markante Stämme bzw. Abschnitte konnten zu Dekorationszwecken Verwendung finden und zieren nun u.a. die Weihnachtskrippe in der Basilika bzw. in benachbarten Gotteshäusern.

Die Entfernung der Eschen war jedoch nur der erste Schritt, denn Marienstatt ohne Allee ist nicht vorstellbar:
Der Weg zwischen Pfortenhaus und Basilika sollte weiterhin von einer markanten Allee gesäumt werden, wobei eine Neuanpflanzung mit Eschen wegen der oben geschilderten Problematik ausschied. Eine andere Baumart sollte folgende Kriterien erfüllen:
• Hochstamm mit kleiner Krone, die weitgehend kompakt bleibt und gut beschneidbar ist,
• Herzwurzler, damit die Wege nicht durch Wurzelhub uneben werden und die stabile Verankerung der Bäume im Boden gewährleistet ist,
• eine möglichst einheimische Baumart, die an die Boden- und Klimabedingungen angepasst ist.
 In Abstimmung mit dem früheren Vorsitzenden des Forums Friedrich Esser, als Forstdirektor a.D. mit Bäumen vertraut, und Gartenbauern entschied sich der Konvent nach intensiver Recherche und Beratung für die Holländische Linde (Tilia europaea „pallida“), auch Kaiserlinde genannt. entschied sich der Marienstatter Konvent für die Holländische Linde (Tilia europaea „pallida“), auch Kaiserlinde genannt, als Folgebaum. Es handelt sich dabei um eine Kreuzung von Sommer- und Winterlinde, die seit Jahrhunderten in Mitteleuropa als Alleebaum geschätzt wird. Sie gilt als weitgehend resistent gegen Schädlinge, ist langlebig und gut formbar. Gerade letzteres ist wichtig, da ein regelmäßiger Schnitt notwendig sein wird, um den Charakter der Allee als Kulturdenkmal innerhalb der historischen Gesamtanlage Marienstatts zu betonen.
 Die Bauarbeiten konnten im Frühjahr 2020 zügig abgewickelt werden. Die neuen Linden, Hochstämme mit einer Stammhöhe von ca. 2,20 Metern, geben der Allee ein neues Gepräge.
Im Zuge der Neupflanzung wurde auch die Entwässerung verbessert. Das bisherige Basaltpflaster aus dem Bodenschatz des nördlichen Westerwalds blieb weitestgehend erhalten. Lediglich an einigen wenigen Stellen musste es neu verlegt werden. Notwendig war jedoch, die seitlichen Begrenzungssteine zu den Seitenwegen neu zu setzen. Sie waren überwiegend lose und stellten so eine Gefahrenquelle dar. Sie sind tiefer gelegt worden, nachdem auch die geschotterten Seitenflächen abgeschrägt wurden, um einen besseren Wasserablauf zu ermöglichen. Dadurch konnte auch die massive Treppenanlage an der Basilika, errichtet im Zuge der Kirchensanierung zu Beginn des Jahrhunderts, um eine Stufe reduziert werden, wodurch diese an „Wucht“ verliert.

 (Foto: Foto D. Nolden im Oktober 2020) (Foto: Foto D. Nolden im Oktober 2020) Zuletzt wurde im Sommer auch die Beleuchtung der Allee erneuert, damit der Weg zur Basilika auch im Dunkeln gefahrlos begangen werden kann. Daher entschied sich die Abtei auch wieder für Peitschenleuchten, die mit LEDs ausgerüstet die Allee in einer schlichten und eleganten Form optimal und energiesparend ausleuchten. Die Beleuchtung wirkt besonders bei trübem Wetter und taucht den Ort in ein mystisches Licht.

Stemmen konnte die Abtei diese große Investition nur durch eine großzügige Unterstützung des Bistums Limburg (Die Basilika ist nicht nur Abteikirche sondern auch Filialkirche der Pfarrei Hachenburg und der Seitenflügel der Klosteranlage beherbergt von der Pfarrei genutzte Räume.). Das Forum Abtei Marienstatt e.V. konnte zudem umfangreiche zweckgebundene Spenden einwerben. Die Resonanz aus der Bevölkerung auf die verschiedenen Spendenaufrufe war überwältigend und zeigen die starke Verbundenheit der Menschen aus der Region mit „ihrem“ Kloster, aber auch deren Wunsch, durch neue Bäume das äußere Erscheinungsbild von Marienstatt langfristig zu erhalten.

 (Foto: Foto: Röder-Moldenhauer 26.09.2020) (Foto: Foto: Röder-Moldenhauer 26.09.2020) Coronabedingt konnten erst Ende September Abtei und der Förderverein „Forum Abtei Marienstatt e.V.“ Sponsoren, Mitglieder des Fördervereins und Vertreter der an Planung und Bau beteiligten Firmen begrüßen, um die Allee offiziell in Gebrauch zu nehmen.
Abt Andreas Range O.Cist. dankte allen, die zum Gelingen des Werkes beigetragen haben, das dank der guten Abstimmung zwischen allen Beteiligten ohne größere Beeinträchtigungen für die Besucher Marienstatts abgewickelt werden konnte. Unter Gottes Segen habe dieses Projekt gestanden.
Er sprach dabei folgendes Gebet zur Bewahrung der Schöpfung:
Wir danken dir Gott, unser Vater.
Du hast alles erschaffen,
alles Lebensnotwendige
hast du den Menschen gegeben,
damit sie dir danken.
Wir danken dir für alle,
die durch ihr Reden und Beten,
ihr Tun und Lassen
deine Schöpfung bewahren helfen.
Wir danken dir für alle,
Atheisten wie Christen,
die Gerechtigkeit fördern
zwischen Nord und Süd, in Ost und West.
Wir danken dir für alle,
die durch ihr Denken und Entscheiden,
Verzichten und Geben den Frieden vorbereiten.
Dafür danken wir dir
durch deinen Sohn Jesus Christus.
Er ist die Sonne der Gerechtigkeit,
der Herr des Friedens,
die Sehnsucht und Hoffnung der Schöpfung.
(Winfried Müller)

 Friedrich Esser zeigte den Teilnehmern anhand einer entfernten Esche nochmals nachdrücklich die Notwendigkeit der Maßnahme auf.
Der Vorsitzende des Forums Johannes Kempf freute sich besonders über die breite Unterstützung beim Bistum Limburg, bei der Pfarrei Hachenburg und den vielen Privatspendern einerlei ob Mitglied des Forums oder nicht. Dank deren Hilfe sei die Abtei in der Lage gewesen, das große Projekt zu schultern. Besonders erwähnte er aber auch die gute Zusammenarbeit mit dem Konvent, Bürgermeister Peter Klöckner und seiner Bauverwaltung, die im Vorfeld eine Grundlagenermittlung durchführten, dem Architekten und Beleuchtungsplaner sowie den bauausführenden Firmen, aber auch der Rentnergruppe, die ehrenamtlich die Pflege der Flächen übernimmt.
 Im Zusammenhang mit der Baumaßnahme hat die Abtei mit Unterstützung des Forums im Frühjahr 2020 auch das Rondell vor dem Pfortenhaus neugestalten lassen. Der vorher eher unwirtliche Ort lädt nun Besucher zum Verweilen ein und ist so eine einladende Visitenkarte für die Abtei. Es ist erfreulich zu sehen, dass unabhängig von der Jahreszeit Menschen die mittlerweile aufgestellten Sitzbänke nutzen. Und wenn Sie in diesem Frühjahr Marienstatt besuchen, können Sie vielleicht um die Baumscheibe an der Eiche Osterglocken blühen sehen….


Zurück